InkArtBooks
Die neuen Bücher von Sabine Mann (Jahrgang 1965)
Nach ihren stark an Bildern orientierten Collagenbüchern, in denen sie durch das Zusammenfügen verschiedener Bildelemente ein neues Ganzes geschaffen hat, widmet sich Sabine Mann in ihrem neuen Werkzyklus nun ganz der Seele eines Buches und stellt diese in ungewohnter Weise vor. In der bildenden Kunst und im Buchdruck sind Schnitte üblicherweise grafische Druckverfahren und der Holzschnitt zum Beispiel ist ein Hochdruckverfahren, bei dem ein reliefartiger, hölzerner Druckstock verwendet wird um einen flachen Druck zu erzeugen. Sabine Mann setzt den Schnitt, einen Buchschnitt ein, um skulpturale, reliefartige Objekte zu fertigen. Künstlerbücher sind immer ein Ergebnis dessen, was Künstler über, mit, um, für oder gegen Bücher machen. Hier arbeitet Sabine Mann äußerlich mit dem Buch, indem sie es vergrößert, fast verdoppelt, in den Raum erweitert und inhaltlich gegen das Buch, indem sie ihm seine Funktion künstlerisch entzieht. Einfühlsam und vorsichtig seziert sie die einzelnen Buchseiten Schnitt für Schnitt mit einem Skalpell – oft bis zur körperlichen Schmerzgrenze gehend. Alte, charaktervolle Bücher überträgt sie so in filigrane, aufrecht stehende Skulpturen, die einen neuen (Bedeutungs-)Raum einnehmen und Assoziationen wecken, die nichts mehr mit dem originären Inhalt des Buches zu tun haben. Aber nicht nur die Schnitte, ihre Schnittstellen und das dann folgende Ausknicken/Ausrichten der einzelnen, schmalen, blattartigen, länglichen Papierstreifen prägen die vom Buchrücken getragenen Objekte, sondern auch die vorherige Einfärbungen der einzelnen Seiten mit Tinte oder manchmal Tusche, die sie fast immer vornimmt:
Je nach Qualität des Papiers, sorgt die Färbung immer wieder für Überraschungen, da es unterschiedlich reagiert – auch innerhalb eines Buches. Ein Blau kann fast Schwarz werden, ein Pink wird stellenweise ganz hell, weil das Papier die Tinte so einsaugt oder ein Grün wird ganz intensiv, weil die Farbe kaum aufgenommen wird. Je nach Papieralter, Beschaffenheit und originaler Oberflächenbehandlung färbt sich die Seite ganz ein, geht durch bis zur nächsten Seite oder die Tinte bleibt auf der Oberfläche stehen. Außer durch die Wahl der Farbe kann Sabine Mann diesen Prozess nur bedingt steuern – im Gegensatz zu den Schnitten, die sie gezielt setzt. Und da der fast meditative Prozess des Färbens so lange dauert, kann sie immer nur einige Seiten färben, bevor sie getrocknet sind und sie weiter arbeiten kann. Von großer Schönheit lösen die bibliophilen Papierskulpturen die eigentliche Funktion eines Buches ad absurdum, da es nicht mehr lesbar ist. Obwohl der Inhalt – die beschriebenen Seiten – nach außen gestülpt werden – und damit lesbarer sein müssten – wird er, einem bestimmten, gleichmäßigen Schnittrhythmus folgend und einheitlich eingefärbt, unkenntlich gemacht. Auch wenn inne liegendes, scheinbar intimes, privates ‚verletzt’, nach außen getragen/gestülpt wird und sich damit extrem verletzbar präsentiert, wirken die extrovertierten Buchskulpturen nicht wie eine Wunde, da die künstlerische Verwandlung nicht laut und brutal, sondern leise und liebevoll ist. Unter Sabine Manns Händen sind abstrakte Objekte entstanden, die zwar Assoziations-, Wissens- oder Informationsspeicher sind, sich aber vor allem formal durch eine ungemeine haptische, dynamische Poesie auszeichnen.
Susanne Kleine
Kunsthistorikerin
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Die neuen Bücher von Sabine Mann (Jahrgang 1965). Nach ihren stark an Bildern orientierten Collagenbüchern, in denen sie durch das Zusammenfügen verschiedener Bildelemente ein neues Ganzes geschaffen hat, widmet sich Sabine Mann in ihrem neuen Werkzyklus nun ganz der Seele eines Buches und stellt diese in ungewohnter Weise vor. In der bildenden Kunst und im Buchdruck sind Schnitte üblicherweise grafische Druckverfahren und der Holzschnitt zum Beispiel ist ein Hochdruckverfahren, bei dem ein reliefartiger, hölzerner Druckstock verwendet wird um einen flachen Druck zu erzeugen. Sabine Mann setzt den Schnitt, einen Buchschnitt ein, um skulpturale, reliefartige Objekte zu fertigen. Künstlerbücher sind immer ein Ergebnis dessen, was Künstler über, mit, um, für oder gegen Bücher machen. Hier arbeitet Sabine Mann äußerlich mit dem Buch, indem sie es vergrößert, fast verdoppelt, in den Raum erweitert und inhaltlich gegen das Buch, indem sie ihm seine Funktion künstlerisch entzieht. Einfühlsam und vorsichtig seziert sie die einzelnen Buchseiten Schnitt für Schnitt mit einem Skalpell – oft bis zur körperlichen Schmerzgrenze gehend. Alte, charaktervolle Bücher überträgt sie so in filigrane, aufrecht stehende Skulpturen, die einen neuen (Bedeutungs-)Raum einnehmen und Assoziationen wecken, die nichts mehr mit dem originären Inhalt des Buches zu tun haben.
Aber nicht nur die Schnitte, ihre Schnittstellen und das dann folgende Ausknicken/Ausrichten der einzelnen, schmalen, blattartigen, länglichen Papierstreifen prägen die vom Buchrücken getragenen Objekte, sondern auch die vorherige Einfärbungen der einzelnen Seiten mit Tinte oder manchmal Tusche, die sie fast immer vornimmt:
Je nach Qualität des Papiers, sorgt die Färbung immer wieder für Überraschungen, da es unterschiedlich reagiert – auch innerhalb eines Buches. Ein Blau kann fast Schwarz werden, ein Pink wird stellenweise ganz hell, weil das Papier die Tinte so einsaugt oder ein Grün wird ganz intensiv, weil die Farbe kaum aufgenommen wird. Je nach Papieralter, Beschaffenheit und originaler Oberflächenbehandlung färbt sich die Seite ganz ein, geht durch bis zur nächsten Seite oder die Tinte bleibt auf der Oberfläche stehen. Außer durch die Wahl der Farbe kann Sabine Mann diesen Prozess nur bedingt steuern – im Gegensatz zu den Schnitten, die sie gezielt setzt. Und da der fast meditative Prozess des Färbens so lange dauert, kann sie immer nur einige Seiten färben, bevor sie getrocknet sind und sie weiter arbeiten kann.
Von großer Schönheit lösen die bibliophilen Papierskulpturen die eigentliche Funktion eines Buches ad absurdum, da es nicht mehr lesbar ist. Obwohl der Inhalt – die beschriebenen Seiten – nach außen gestülpt werden – und damit lesbarer sein müssten – wird er, einem bestimmten, gleichmäßigen Schnittrhythmus folgend und einheitlich eingefärbt, unkenntlich gemacht. Auch wenn inne liegendes, scheinbar intimes, privates ‚verletzt’, nach außen getragen/gestülpt wird und sich damit extrem verletzbar präsentiert, wirken die extrovertierten Buchskulpturen nicht wie eine Wunde, da die künstlerische Verwandlung nicht laut und brutal, sondern leise und liebevoll ist. Unter Sabine Manns Händen sind abstrakte Objekte entstanden, die zwar Assoziations-, Wissens- oder Informationsspeicher sind, sich aber vor allem formal durch eine ungemeine haptische, dynamische Poesie auszeichnen.
Susanne Kleine
Kunsthistorikerin
©2022 Sabine Mann
by stolle tomfohrde
©2022 Sabine Mann
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